Montag, 23. November 2015

Nachts im Museum - Teil I

Ich bin ja so ziemlich das Gegenteil von einem Nerd oder einer Social Media-Expertin. Als ich mich für den Community-Abend im Städel anmeldete, rechnete ich schon halb damit, dass ich sofort als Hochstaplerin entlarvt würde. Aber nein. Stattdessen wurde ich eingeladen. Das verdanke ich Angelika, einer Freundin, ohne die ich gar nichts von diesem Event gewusst hätte, und ohne die ich mich vielleicht gar nicht hingetraut hätte. Außerdem macht sowas zu zweit natürlich mehr Laune.

Schon am Nachmittag wurde ich von meiner ständigen Begleiterin, Mme la Depression, heftig herumgeschubst in der Absicht, mich am Ende zum Absagen zu bringen. Einen Grund nach dem anderen malte sie grausam-genüßlich vor mir aus - ich sei zu alt, zu fett, zu uncool, zu ungeschickt, der Kleiderschrank gebe nichts her, jetzt regnete es auch noch, zum Haare waschen sei es eh' zu spät - aber in einem Akt des Aufbäumens habe ich sie gepackt und zum Schämen in die Ecke geschickt. Die Versuchung war groß ihr nachzugeben, nur dass sie mich schon seit einer Woche in den Klauen hatte und es höchste Zeit war, mich zu wehren.

Also frisch geduscht und geföhnt zum Bus gespurtet und mit Angelika zusammen nach Sachsenhausen gefahren. Bis dahin war ich wieder einigermaßen gefasst und dafür Angelika etwas aufgeregt. Sie kann eine Menge toller Sachen, denkt aber, es müsse alles noch viel toller sein um nicht zu sagen überperfekt. Man kennt das von talentierten Menschen. Und je angespannter jemand in meiner Nähe ist, desto abgeklärter werde ich.

Schon am uns angezeigten  Personal-Eingang sah ich zu meiner weiteren Beruhigung, dass die Gäste ein bunt gemischter Haufen waren, die freudig gespannt auf Einlass warteten.  An der Pinnwand im Gang hing ein Foto von Max Hollein mit der Überschrift "Hausmeister". Das erinnerte mich an die fröhlicheren Momente meiner Studentenzeit. 

Die Organisatoren hatten uns vorher eine Liste von Themen zur Auswahl geschickt, zu denen an diesem Abend Führungen bzw. Vorträge stattfanden. Ich habe mir schon immer gewünscht, einen Blick in die Werkstatt der Restauratoren zu werfen. Nachdem ich mein erstes Studium geschmissen hatte, habe ich ein Weilchen damit geliebäugelt, diesen Beruf zu erlernen. Das war damals total angesagt: Wer nicht studierte oder schnell wieder damit aufhörte, wollte "lieber was mit den Händen" machen. Die Jungs Schreiner, die Mädels Goldschmiedin oder eben Restauratorin.

Als zweites Thema hatte ich mir eine Wanderung durchs Museum ausgesucht - mit vier Bildern durch ebenso viele Jahrhunderte. 

Endlich drin, steuerten wir erstmal die Bar an. Angelika war mir (euronenmäßig) ausgeliefert, weil sie Ihr Portemonnaie zu Hause vergessen hatte. Wenigstens war uns das nicht gleichzeitig passiert. Ich besorgte uns zweimal Weißwein, und dann lauschten wir der launigen Rede eines PR-Menschen. Kurz darauf sollten wir uns bereitmachen für die Gruppenaktivitäten. Huch - so plötzlich! Wenn ich schon für den Wein bezahlt hatte, wollte ich den auch austrinken. Was hieß, ich musste das noch fast volle Glas in uneleganter Eile abkippen. Ich trat also gleich etwas beschickert an, die erste Attraktion zu erleben. 

Meine Gruppe hatte einen türkisen Punkt als Kennzeichen, ich stand schon ein Weilchen am Start, bevor mich jemand drauf hinwies, das sei hier die blaue Gruppe und ob ich sicher sei, dass der Punkt auf meinem Namensschildchen nicht eher türkis....? Ich fühlte mich gleich doppelt ertappt. Einmal von dem netten Herrn und einmal von Sigmund Freud.

Beim richtigen Grüppchen angekommen, stellte ich fest, dass es fast nur aus Männern bestand. Das muss ich wohl laut gesagt haben, denn einer der Männer antwortete: "Das sind alles Wikis. Wikipedia ist in männlicher Hand." Ich hatte natürlich gleich an den kleinen Wikinger gedacht, das aber stumm. Stattdessen entschlüpfte mir was von "Mansplaining", aber die anwesenden Wiki- oder was-auch-immer-Männer waren sehr freundlich zu mir. Die Nachsicht der Mächtigen.

Friedlich wie eine kleine  Schafherde trotteten wir brav hinter unserer Kunstvermittlerin
 her zum ersten Jahrhundertbild.



Dies ist nicht nur der Beweis dafür, dass es bei der Qualität meiner Aufnahmen noch viel Luft nach oben gibt, sondern auch eines der berühmtesten Gemälde der Renaissance, rechts, und unsere temperamentvolle und so kenntnisreiche wie unterhaltsame Kunstvermittlerin, links.

Über den Botticelli und seine wahrscheinliche Entstehungsgeschichte haben wir eine Menge gelernt, ebenso wie über die Forschung zur Identität der porträtierten Dame. Am besten in Erinnerung blieb mir jedoch die Bemerkung, wir Mädels sollten uns angesichts der Haarpracht der Schönen nicht allzu sehr grämen, auch damals habe man nämlich schon mit Extensions gearbeitet. Ha!

...tbc...









Samstag, 14. November 2015

Darkness in the City of Lights

I returned home last night from a meeting with a friend that was full of laughter and good feelings. We had got caught in heavy rains and I was glad to be under my own roof, safe, dry and warm which I didn't really pay much attention to at that moment. As you don't when you go through your day, taking care of all the little things and taking a lot for granted.

As I usually do I checked  into Facebook and noticed a post saying "Why must it be Paris again? So horrible." At first I didn't know what to make of it but then I saw similar posts and finally realized what had happened. I kept the next hours glued to my TV screen, feeling much like I felt 14 years ago watching the news from New York  City. Only this time I was all by myself.

I don't want to describe for the umpteenth time what I assume we all feel - and by this I mean all human beings who basically follow the principle of "live and let live" whatever their faith, sex, nationality etc. - when yet another of those horrid attacks has happened.

I admit that my first reaction was rage, alongside the sadness and desperation, and this was certainly born out of a primitive feeling of wanting to take revenge for the victims. 

Today, however, when I thought about what had occured, my reaction had changed. The rage is still there but it is more directed against the people (politicians mostly) who want to profit from the terror. 

What I noticed going about my day was this: 

Usually on Saturdays, the city is a very hectic place, people rushing here and there and buying stuff as if there is no tomorrow, and not being very patient or considerate with it. Today everything seemed more calm and slow, and not as aggressive.

And these are the feelings I found in myself: I was experiencing a strange placidness and looked at all my fellow men and women with a sort of determined kindness and patience - which never used to be a typical character trait of mine. I strongly felt that I wanted to try everything to keep an open mind and heart, and to practise kindness much more than anything else. I don't really know where this is coming from but I am still feeling that way. 

I am not of Christian or any other religious faith and I don't believe in turning the other cheek, certainly not in these cases. But at this moment I seem to believe in kindness more than I used to do and much more than I even was aware of. It is rather strange to surprise yourself in this way, I can tell you! 

I do believe that terrorists are extremely afraid of love and life, and of their own feelings other than their false superiority and obsession with death. But I rather pity them and only hate the actions they perform. 

I do believe that love is the only way. And I don't care if that sounds corny.



Mittwoch, 4. November 2015

Ballungsgebiet der einsamen Herzen

Meine Therapeutin händigte mir letztens unter gemurmelten Entschuldigungen ein Handzettelchen aus, das für eine Internetplattform warb. 

Die gute Frau weiß, dass ich immer noch häufig sehr einsam bin und mich nach Gesellschaft sehne. Das Murmeln bezog sich darauf, dass sie mich nicht etwa damit ärgern wollte. Denn sie weiß natürlich ebenfalls, dass ich keine Schwierigkeiten habe mit dem, was wir Marketingleute Erstkontakt nennen, nur das Danach ist oft doof - kompliziert - blöd - suboptimal - enttäuschend....was mit der Qualität der Kontakte zu tun hat und mit meinem Talent, immer noch die Leute anzuziehen wie das Licht die Motten, die nur ihre Neurosen an mir austoben wollen. Jaja, das klingt jämmerlich, aber so fühle ich mich eben manchmal. Ich bin mindestens genau so neurotisch wie alle anderen, aber wenigstens sollten die Röschen irgendwie zusammen passen, auf dass das gemeinsame Gärtchen blühe und gedeihe. Das ist doch wohl nicht zuviel verlangt!!!!! Naja - doch - isses wohl....

Ich bin also zunächst für alle Möglichkeiten offen. Ist schon ein Unterschied zu früher, denn da war ich mir für alles zu schade. Jedenfalls bin  ich mit dieser Haltung durch die Welt und das Leben marschiert. In Wirklichkeit, wie meine Seelengeschwister bestätigen können, war das eine Schutzhaltung nach dem Motto: Bevor mich die anderen blöd finden - was sie ja unweigerlich werden, wenn sie mich erstmal besser kennen  - finde ich sie gleich jetzt schon blöd. So kann mir nichts  Schlimmes passieren. Groucho Marx hat das ganz ähnlich gesehen, aber leider habe ich weder so viele lustige Brüder noch so viel Talent.

Dass mir mit dieser  Methode aber auch nichts Gutes passieren konnte, hatte ich damals noch nicht begriffen. Es passierte also ü-ber-haupt nichts mehr, woran ich mich nur noch dunkel erinnere, weil ich meist von Schokolade und Chips umgeben auf der Couch vor  mich hingedämmert habe.

Was wollte  ich noch erzählen? Ah ja: die Website mit der Versprechung, gleichgesinnte Menschen zum Kennenlernen und für gemeinsame Unternehmungen zu finden, hieß (und heißt immer noch): Frankfurt-Mund-zu-Mund.de. Ungelogen! Das Logo zeigt eher "Mund zu Ohr", was mich an Stille Post erinnerte und weniger an Kennenlernen und Verabreden. Aber ich ließ mich nicht abschrecken und registrierte mich, denn ohne Registrierung kam man noch nicht einmal in die Forums-Übersicht.

Neugierig klickte ich alles durch, was nur geboten wurde, und - wie mein Vater manchmal sagt: Det fiel mir uff. Nämlich, dass die Macher der Seite sich zwar mit Vornamen vorstellen, aber sonst sehr wenig über sich verraten. Dass sie etwaigen Kritikern gleich den Wind aus den Segeln nehmen wollen mit Formulierungen wie "für Konstruktives" offen zu sein. Am schönsten finde ich den Schlusssatz der Info: "Sind  die ersten Schritte gemeinsam getan, möchten wir gern fragen, wo eigentlich das Problem ist." Ja, das frage ich mich auch, liebe(r) Tinka und Lars! So heißen die  Initiatoren, und aus den Namen schließe ich mal, dass sie noch jenseits der vierzig sind und sich daher nicht wie unsereins  an bestimmte lieb gewonnene und heutzutage schmerzlich vermisste Umgangsformen erinnern können. Soll ich ihnen das zugute halten? Hab' eigentlich keine Lust dazu. Die Geschichte geht nämlich noch weiter. 

Weiterhin neugierig, hatte ich zunächst Abstand davon genommen, mich umgehend wieder abzumelden, und sogar noch den Newsletter abonniert. Nun wird der Begriff Newsletter schon lange inflationär gebraucht - der wird bei weitem nicht mehr nur dann verschickt, wenn man etwas Neues mitzuteilen hat. Oder auch nur was Interessantes. Abgesehen davon, dass ich mich einfach nicht dran gewöhnen kann, mit "Hallo Karin Hagemeister" angeredet zu werden. Oder wie neulich mit "Liebe Frau Hagemeister, schön, dass Du wieder da bist!"  

Laut aktuellem Newsletter von Frankfurt-Mund-zu-Mund gab es einen Grund zum Feiern - sage und schreibe zwanzig Mitglieder hatten sich registriert. Hurra! Und es gab gaaaaanz viele Veranstaltungen, die mich nach Tinkas und Lars' Meinung bestimmt  interessieren würden. 

Ich die entsprechenden Links angestupst - keiner funktionierte. Also Website angesteuert und nach den Veranstaltungen geguckt. Alles Events, die einfach so in Frankfurt und  Umgebung stattfinden, auch ohne Mund und Ohr oder sonstige Körperteile, die extra darauf hinweisen. 

Jetzt ist es soweit. Ich muss eine Kritik schreiben. Nach Tinkas Ansicht,  so wie ich mir Tinka inzwischen  vorstelle, möglicherweise nicht konstruktiv, sondern eher nörgelnd. Egal,  in meinem Alter nörgelt man eben manchmal. Ich bitte um die Löschung meines Accounts, weil auch diese Funktion auf der Seite gerade nicht funktioniert. Dann - ich kann einfach nicht anders - frage ich, was es mit dem merkwürdigen Namen auf sich hat. Vermutet man in Frankfurt lauter einsame Seelen, die vor Verzweiflung schon halbtot sind und daher per Mund-zu-Mund wiederbelebt werden müssen?  Und seht Ihr zwanzig mühsam  in mehreren Wochen gewonnene Mitglieder in einer Stadt mit fast 700.000 Einwohnern wirklich als Erfolg? 

Die Antwort erinnert mich daran, dass ich Ironie möglichst bleiben lassen soll, außer bei wenigen eingeweihten und intellektuell von mir vorqualifizierten Lesern (uh-oh!).

Tinka herself teilt mir per Ferndiagnose mit, ich sei verbittert und traurig, sie wünsche mir aber alles  Gute. Danke, Tinka, ich kann's gebrauchen. 

Und jetzt schreibe ich meinen Wunschzettel für den Weihnachtsmann.