Dienstag, 2. Dezember 2014

So biuuuuutiful!

Wir Frauen sind ja ziemlich bekloppt, was Kosmetik und Parfum angeht, und vor allem, was wir dafür auszugeben bereit sind. Bekloppt - das Wort passt natürlich überhaupt nicht in die Welt, in der wir uns bewegen und auch bewegen sollen, wenn  wir auf die Jagd nach der Schönheit gehen. Aber es passt durchaus, wenn wir plötzlich wieder aufwachen und unversehens in die wenig glamouröse Wirklichkeit zurück kehren mit Abwasch, Arbeit, Altersflecken. 

In meinem früheren Leben mit gutem Job und  entsprechendem Gehalt konnte ich bei dieser Jagd mit rennen und fette Beute machen. Damals hatte ich einen  Lieblingsduft, über den ich zufällig in einem Frauenmagazin las, dass er genauso teuer sei  wie Gold, und zwar netto, ohne Verpackung. Nicht, dass ich über diese Information etwa erschrocken wäre. Im Gegenteil, ich fand meinen Duft nachher noch cooler. Kann sich schließlich nicht jede leisten.

In derselben Zeit hatte ich auch einen Lieblingslippenstift. Den habe ich mir, als es "meine" Farbe in Deutschland nicht mehr gab, bei regelmäßigen Urlauben  in New York City am  Dior-Counter von Macy's besorgt. Aber  hallo! Und wie stolz war ich, als die original-französische Verkäuferin mich im nächsten Jahr wieder erkannte. Vielleicht hat sie auch nur so getan als ob, aber damit hat sie mich sowas von glücklich gemacht. So geht Kundenbindung.


Ich bin und bleibe ein heimliches Luxusweib. Seit langer Zeit kaufe ich meine Wässerchen, Tinkturen und Cremes aber nicht mehr in New York oder Paris, nicht mal in den eleganteren Läden meiner Heimatstadt,  sondern öfter mal bei Aldi oder beim günstigen Versand.




An den Luxusdüften hänge ich aber immer noch. Das Schöne ist, dass so ein Flacon eine Weile vorhält, während ich auf den nächsten spare. Dieses Restchen Dekadenz gönne ich mir. ("Weil ich es mir wert bin", hätte ich beinah geschrieben.) Genau wie ich es einfach nicht übers Herz bringe, gefakte Lederjacken oder -taschen zu tragen (Veganer, bitte weglesen). Entweder echtes oder gar keine. 

Ich will jetzt gar nicht ausführlich davon reden, dass unsere Konsumgesellschaft natürlich auch davon lebt, dass Menschen mit Kaufen von vielen überflüssigen Dingen versuchen,  ihre innere Leere zu füllen. Obwohl ich davon viel  erzählen könnte, denn zu denen gehöre ich nach wie vor. Nur bin ich mir dessen schon bewusst gewesen, als ich noch eine aktive Jägerin und Sammlerin war. Und als die finanziellen Umstände dies nicht mehr zuließen, bin ich zwangsweise trocken geworden wie ein Alkoholiker, dem der Stoff ausgeht. Das war erst nicht einfach, aber sehr heilsam. Ich bin nach wie vor gefährdet, was ich spüre, sobald wieder ein bisschen Geld in der Kasse  ist. 

Wir kaufen eben nicht nur einen Tiegel luxuriöse Gesichtscreme, sondern eine ganze Welt, die da drumherum gebaut ist. Beziehungsweise einen Traum, dessen Erfüllung mit dem Erwerb der zuweilen obszön teuren Produkte versprochen wird. Wenn ich bei ALDI eine Tagescreme zu Quark und Küchenrollen in den Einkaufswagen lege, klappt das nicht so recht mit dieser Phantasie. Und obwohl ich inzwischen Schwarz auf Weiß nachlesen kann, dass die Qualität  der Produkte ähnlich ist und die billigeren manchmal gar die besseren sind: mein inneres Luxusgeschöpf braucht einfach ab und zu dieses Luxusgefühl. Und ein kleiner Teil meines sonst so klugen Köpfchens glaubt heimlich aber unbeirrt, dass doch ein besonderes Geheimnis steckt in den edel verpackten und teuer bezahlten Mittelchen.

Ich sag' ja: wir sind schon ein bisschen bekloppt!