Sonntag, 19. Juni 2016

Hartz cont.

Das Verrückte ist: Vor dem nächsten  Jobcenter-Termin war ich recht gelassen, denn es ging ja nur darum, die Unterlagen für meinen Antrag abzugeben. Dachte ich. Und zack - die nächste Katastrophe bricht über mich herein.

Liebe Kinder, heute lernen wir, was der Begriff "Zuflussprinzip" bedeutet. 

Am besten erkläre ich Euch dies an einem Beispiel aus dem wirklichen Leben. Und nun gebt fein acht:

Eine Frau, die schon länger krank ist und deshalb Krankengeld bekommt von ihrer Versicherung, erhält von dieser Versicherung die Nachricht, dass ihr Anspruch auf dieses Geld abgelaufen ist. Die Versicherung muss nämlich nur eine Zeit lang bezahlen, und dann nicht mehr. Leider hat die Versicherung nicht aufgepasst und bittet die Frau um Entschuldigung. Dafür wird sie aber ein bisschen länger bezahlen. Und zwar bis zu dem Tag, wo es aufgefallen ist, dass die Frau gar kein Geld mehr kriegen darf. 

Da die Frau auch vor dem krank werden schon keine Arbeit mehr hatte, muss sie nun so schnell wie möglich das Geld beantragen, dass von den meisten Leuten "Hartz IV" genannt wird. 

Nun gibt es aber einen wichtigen Unterschied zwischen diesen verschiedenen Geldern: Das Krankengeld bekommt man immer rückwirkend. Das ist logisch und gerecht, weil man ja im Allgemeinen weder vorher plant noch wissen kann, wie lange man noch krank sein wird. 

Es funktioniert so: Der Kranke geht zum Arzt, und der Arzt bescheinigt ihm - oder auch nicht - dass er noch krank ist. Diese Bescheinigung schickt der Kranke an seine Versicherung, die prüft, ob alles richtig ausgefüllt ist, und dann erst schickt sie das Geld. 

Wenn jemand, wie die Frau in  unserer Geschichte, schon länger krank ist, fragt die Versicherung zwischendrin immer mal den  Arzt oder die Kranke, wie lange das denn noch dauert. Die Versicherung hat natürlich keine Lust, immer weiter Geld zu zahlen, obwohl sie eigentlich genau dafür da ist. 

Außerdem lässt die Versicherung sich auch noch andere lustige Dinge einfallen. Einmal hat der Arzt das Formular nicht ganz richtig in den Drucker gelegt, so dass die Kreuzchen einen Millimeter neben den passenden Kästchen gelandet sind.

Daraufhin hat die Versicherung einfach das hier gemacht: NICHTS. 

Die Frau wartete dringend auf ihr Geld, weil sie natürlich trotz Krankheit alles Wichtige weiter bezahlen muss. Dem Vermieter, den Stadtwerken und der Telefongesellschaft ist es ja egal, ob sie ihr Geld zu spät bekommt. Das versteht die Frau auch, und es macht ihr große Angst, wenn sie nicht rechtzeitig bezahlen kann. 

Sie muss also immer genau aufpassen, wann sie zum Arzt geht und das Formular an die Versicherung schickt. Immer wieder muss sie anrufen und nachfragen. Das klingt eigentlich gar nicht schlimm, aber wenn man krank ist, scheint alles viel anstrengender als sonst. Und den Leuten  von der Versicherung sind die Menschen eigentlich egal. Jedenfalls glaubt die Frau das allmählich, weil sie ihr schon oft falsche Sachen erzählt haben, und sie sich darauf verlassen hat. Was sie nicht hätte machen sollen. 

Schneller gesund wird man von sowas auch nicht gerade.

Diesmal hat die Versicherung am Anfang eines Monats bezahlt. Das Geld ist für den Monat davor. Die Frau denkt sich nichts  Schlimmes dabei, denn wichtig ist nur, dass sie ihre regelmäßigen Rechnungen - wenn auch mit ein paar Tagen Verspätung - endlich bezahlen kann.

Dann muss sie zu dem Amt, das für das Hartz IV zuständig ist. Dort muss sie alles vorzeigen, was mit ihrem Geld zu tun hat. Das Amt muss ja wissen, ob sie nicht schwindelt und von irgendwo her Geld bekommt, so dass sie gar kein Hartz IV kriegen darf. 

Der Mann auf dem Amt sagt ihr, dass sie ja diesen Monat schon Geld bekommen hat und deswegen nichts mehr kriegt. Die Frau erschreckt sich fürchterlich. Sie sagt, dass dieses Geld schon verbraucht ist - es war ja  für den letzten Monat. Das interessiert zwar den freundlichen Mann, aber nicht das Amt. Der Mann findet das auch ungerecht, er kann aber nichts machen. 

Und das, liebe Kinder, liegt am Zufluss-Prinzip. Das Geld ist der Frau in  dem Monat "zugeflossen", in dem sie dieses blöde Hartz IV beantragen musste, und dem Gesetz ist es egal, für wann das Geld gedacht war. 

Aber was ist mit den Menschen, die dieses Gesetz gemacht haben? Das fragt die Frau sich immer öfter.