Es gibt ein Jugendbuch mit diesem Titel, und manchmal sympathisiere
ich mit seinem pubertierenden Helden. Obwohl ich doch in einem ganz anderen
Lebensabschnitt bin.
Vor kurzem habe ich ein bisschen im hiesigen Oxfam-Laden
gestöbert. Vor dem Schuhregal hatte sich eine ältere Frau postiert – dass
„Dame“ in diesem Fall die unpassende Bezeichnung wäre, sollte ich gleich
erfahren. Die Frau bewegte sich keinen Millimeter und hatte diesen postmenopausalen
bitteren Zug um den Mund, der mich hätte warnen können.
Ich war allerdings gerade allen Kreaturen freundlich gesinnt,
und so sagte ich: „Wenn Sie ein bisschen zur Seite gehen, können wir beide
gucken.“ Das war offenbar die größte Unverschämtheit, die ihr jemals untergekommen war. Sie schaute knapp an mir vorbei und grummelte ungehalten vor
sich hin. Dann schob sie mich unsanft einfach zur Seite. Sowas kann ich nun nicht so
gut leiden. „Anfassen müssen Sie mich nicht“, bemerkte ich, und da hatte ich
endgültig ausgespielt.
Inzwischen waren die Alten zu zweit, sich aber völlig einig.
„Was wollen Sie überhaupt von mir?“ Das war die Erste. „Eigentlich nichts, und
schon gar nicht, dass Sie mich einfach
anfassen.“ „Also so was…“ Schon schaltete sich Nummer Zwei ein und
fauchte: „Hüst und Host, hüst und host.“ (Isch schwör‘ – das hat sie gesagt.)
Rein sprachlich fand ich das faszinierend – ich nehme
an, sie meinte sowas wie „Einmal Hü und einmal Hott“ oder „Rein in die Kartoffeln,
raus aus den Kartoffeln.“ Ich konnte allerdings keinen Zusammenhang mit der
Situation herstellen. Dafür hatte ich das Gefühl, kostenlos ein absurdes
Theaterstück zu erleben. Ich spielte sogar mit.
Um eine tätliche Auseinandersetzung zu vermeiden – und auch,
weil ich mein Kichern nicht unterdrücken konnte – trat ich den geordneten
Rückzug an.
Bin ich eigentlich allein mit der Sehnsucht nach
zivilisierten Umgangsformen? Liegt das am Älterwerden? Ist das womöglich reine
Nostalgie? Es häufen sich Erlebnisse mit Menschen, die scheinbar überhaupt kein
Gefühl mehr für angemessenes Verhalten haben. Ein Radfahrer, der mich auf dem
Bürgersteig fast überfährt, und mir dann „Du blödes Arschloch“ hinterher brüllt.
Eine Kundin in der Kassenschlange hinter mir, die mir den Einkaufswagen in die
Knöchel rammt und meint, ich solle gefälligst ein bisschen aufpassen.
Undsoweiter.
Manchmal kommt es mir vor, als wären wir alle ständig in
Alarmbereitschaft, falls jemand uns etwas wegnehmen oder zumuten will. Und das
finde ich bedenklich. Vor allem, weil es ansteckend wirkt und in einem Teufelskreis
enden kann.
Wo ist die richtige Balance zwischen Nachsicht und
Treudoofheit? Auch mein eigenes Ego kommt
der Erleuchtung noch zu oft in die Quere.
Da arbeiten wir weiter dran.
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