Sonntag, 4. Januar 2015

I believe I spider

Seit ein paar Wochen habe ich eine Mitbewohnerin. Sie ist sehr ruhig und wohnt in meinem Badezimmer. Ihr Einzug  war so unkompliziert, dass ich gar nichts davon mitbekommen habe - eines Morgens war sie einfach da. Nachdem sie sich ein bisschen umgeschaut hatte (das kann ich  aber nur vermuten), entschied sie sich für eine Ecke über dem Fußende meiner Badewanne. Dort wohnt sie seither. Sie macht keinen Lärm und eigentlich überhaupt keine Umstände. Zahlt allerdings auch keine Miete. Ich akzeptiere das - erstens bin ich grundsätzlich großzügig, und zweitens nimmt sie weder groß Platz weg noch verbraucht sie Wasser oder Strom.

An und zu macht sie  kleine Ausflüge in die nähere  Umgebung, verlässt aber dabei nie das Badezimmer. Anscheinend fühlt sie sich dort ganz wohl, was mir durchaus ein bisschen schmeichelt - habe ich doch in letzter Zeit einige Mühe auf das Dekor verwendet. Es  stört sie auch kaum, wenn ich dusche. Sie rekelt sich dann manchmal ein bisschen, vielleicht fragt sie sich sogar, was gerade passiert. Ob es etwa von der Seite her oder von unten regnen kann. Ich passe immer auf, dass sie nicht zuviel Wasser abkriegt. Oder eigentlich: gar keines, denn das ist nicht ihr Element. Manchmal sorge ich mich ein bisschen darum, wovon sie eigentlich lebt. Vielleicht von Luft und Liebe? Es scheint ihr jedenfalls an Nichts zu fehlen, denn sie macht regelmäßig eine Art Gymnastik und verzichtet auch nicht auf die kleinen Ausflüge. 


Im vergangenen Sommer hatte ich schon mal eine Bad-Mitbenutzerin. Die sah der jetzigen recht ähnlich, hatte aber eine etwas molligere Figur. Kann sein, dass dies der Grund war für mehr sportliche Betätigung. Sie zog häufig um und machte regelmäßig Abseil-Übungen. Zunächst fand ich das lustig anzusehen, aber als es ihr dann genau über dem Toilettensitz am besten zu gefallen schien, und sie auch mit diesen Übungen immerzu fortfuhr und sie sogar ausbaute, wurde mir doch etwas ungemütlich. Sie fing etwa manchmal übermütig an herum zu schaukeln. Ich begann an der Vorstellung zu leiden, dass sie eines Tages direkt auf mich herunter seilte, und bei aller Gastfreundschaft: das war mir doch zuviel der Nähe. 


Ich fasste mir also eines sonnigen Nachmittags ein Herz, außerdem ein Blatt festes Papier und ein Glas, wartete, bis sie sich auf eine für mich bequeme Höhe herunter geschwungen hatte, und fing sie sanft und problemlos ein. Während ich vorsichtig Richtung Balkon ging, redete ich entschuldigend und beruhigend auf sie ein. Am Balkongeländer beugte ich mich leicht vor, so dass ich sie direkt in einen Strauch im Vorgarten umsiedeln konnte. Da es Sommer war, machte mir das keine Gewissensbisse. Ich hoffe, sie hatte noch ein schönes Leben.


Jetzt im Winter mache ich sowas nicht. Meine Mitbewohnerin bleibt also, solange sie will und sich auf ihre kleine Wohnecke beschränkt.


Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass ich früher an einer ausgeprägten Spinnenphobie litt.