Mittwoch, 21. Februar 2018

Wahlkampf

Heute plaudere ich gerade im Gemeinschafts-Waschkeller mit meiner  Lieblingsnachbarin, einer betagten, aber geistig sehr agilen Dame, die ich in Gedanken immer nur "Frau Feldmarschallin" nenne - dies durchaus liebevoll - als die Tür aufspringt und unser Hausmeister hereinplatzt.

"Des is doch unerhört - mei' Frau hat 'en Brief vom Feldmann bekomme, und die Adresse kann nur aus'm Wählerverzeischnis sein! Des gibt's doch gar net!" Er spricht in lauter Ausrufezeichen.

Frau K. und ich grinsen uns an. "Ja, und wenn - was ist denn daran  so schlimm?", frage ich. "Ei, des geht doch net. Habbe Sie auch so'n Brief gekrischt?" "Ja, ich glaube schon." "Der schreibt NUR an die Fraue! Die Fraue wähle den all!" "Also mein Typ ist er nicht", sage ich.

Dazu muss man wissen: Am Sonntag wird der oder die neue Oberbürgermeister(in) gewählt in unserer schönen Stadt. Und Feldmann ist der Amtsinhaber. Außerdem ist er bei der SPD. 

Unser sonst so umgänglicher Hausmeister ist die Entrüstung in Person. Die Feldmarschallin lacht ihm ins Gesicht und sagt: "Würden Sie sich auch so aufregen, wenn der bei der CDU wäre?" Herr L. kümmert sich gar nicht um diesen unqualifizierten Einwurf, sondern wütet weiter von Amtsmissbrauch und Datenschutz und Unverschämtheit. Hat dabei aber die ganze Zeit so ein verschmitztes Zwinkern in den Augen. 

Ich sage: "Finden Sie die von der CDU etwa besser? Schon wie die süffisant von den Plakaten auf Ihre potenziellen Untertanen herunter lächelt...also nee." 

Ich frage mich wirklich, wer das Bild ausgesucht hat. Extrem-Photoshopping, und dann dieses arrogante Halblächeln mit geschlossenen Lippen - wer solche Berater hat, braucht keine Feinde mehr. Oder ist es Absicht? Ein Statement, nach dem Motto: Ich bin zwar eine Frau, aber deshalb muss ich nicht lieb aussehen. Warum dann aber die Lebensspuren aus dem Gesicht bügeln? 

"Wissen Sie das denn genau," frage ich Herrn L., "dass das Wählerverzeichnis nicht für solche Aktionen genutzt werden darf?" "Des glaub isch halt. Des derf doch net sein!" Frau K. und ich amüsieren uns weiter. "Also Sie regen sich auf, weil Sie sich einfach ein bisschen aufregen wollen, obwohl Sie gar nicht wissen, ob es was zum Aufregen gibt." 

"Jaaa - naja, kann sein." 

"Aber jetzt mal was anderes," sagt Frau K. "Gucken Sie mal - meine Maschine geht nicht." "Daran ist der Feldmann Schuld", schlage ich vor. "Genau!" sagt Herr L.

Die beide beugen sich besorgt zur Waschmaschine herunter. Ich schleiche mich von hinten an und sage: "Bevor ich gehe - das Wichtigste ist: Wir meckern nicht nur rum - wir gehen zur Wahl, oder?" "Aber hallo", sagt Frau K.  Da sind wir uns sofort einig.

Unsere Waschküche ist wie ein Dorfbrunnen, kommt mir vor. Schön, eigentlich.