Über einen kuriosen Schlenker habe ich ausgerechnet in dieser Krise einen Job angeboten bekommen, nachdem ich monatelang vergeblich gesucht hatte. Und zwar einen, den es in dieser Form auch nur in diesen Zeiten geben konnte.
Nun unterstütze ich seit etwas über einer Woche einen chinesischen Unternehmer dabei, Gesichts-Schutzmasken an das deutsche Volk zu bringen. Beziehungsweise an dessen Vertreter, wie Herrn Spahn und Kollegen.
Das ist eine Herausforderung, um es milde auszudrücken.
Ich stand - wie wohl wir alle, die täglich die Neuigkeiten zu Corona verfolgen - unter dem Eindruck der Berichte, in denen Klinikchefs, Oberärztinnen, Pflegedienstleiterinnen, Sanitäter und viele andere händeringend nach den Masken verlangten.
Also sollte man meinen, ein seriöses Angebot würde sehnlichst erwartet. Dem war nicht so. Oder vielleicht doch, aber allein die Kontaktaufnahme war ein Hürdenlauf. Die Tele-Kommunikation ist offenbar überhaupt nicht auf wirkliche Herausforderungen vorbereitet. Nicht einmal, wo man es voraussetzen würde, nämlich beim Gesundheitsministerium. Immerhin erhielt ich von dort die E-Mail-Adresse des Krisenstabs, der wiederum innerhalb 24 Stunden geantwortet hat. In der Antwort stand aber buchstäblich nichts Konkretes, und erst vor ein paar Tagen wurde die Online-Ausschreibung für solche Angebote eingerichtet. Das heißt, alles nochmal von vorn anfangen, nur viel umständlicher und aufwändiger. (Wobei ich selbstverständlich richtig finde, dass auf Regeln und Zertifikationen geachtet wird.)
Ich bin froh, dass dies nicht mein Job ist, sondern der meines deutschen Kollegen, der den eigentlichen Vertrieb managt.
Seit ich von seiner Existenz weiß (dazu später), ist meine Tätigkeit nochmals interessanter geworden. Jetzt bin ich die einzige Frau im Bunde. Und - wer hätte das gedacht - nun sind vor allem anderen die Soft Skills gefragt.
Denn die eigentliche Herausforderung ist die interkulturelle Kommunikation. Die nebenbei für Lachanfälle sorgt, wenn ich wieder ein Telefonat mit meinem Boss in China beendet habe. Anfangs waren es Wutanfälle, aber ich habe schnell dazugelernt.
Mein erster Impuls, wenn ich einen Auftrag bekomme, ist ja seit jeher, mich sofort fürs Ganze verantwortlich zu fühlen und mit dem üblichen Perfektionismus alles zu tun, was irgendwie zum Ziel führt. Wahrscheinlich war ich schon als Baby so. Also sitzt das richtig tief. Aber bei diesem Job habe ich gemerkt, wieviel besser ich inzwischen mit diesem inneren Befehl klar komme. Nach kurzer Zeit habe ich entschieden, dass das gar nicht meine Aufgabe ist und ich nur mache, was vereinbart wurde, und wofür ich kompetent bin. Und nicht zuletzt, wofür ich bezahlt werde. Denn ein Managergehalt wie früher mal bekomme ich natürlich nicht. Allerdings auch keinen Hungerlohn.
Eine Stellenanzeige für meinen Job würde so aussehen:
"Haben Sie Erfahrung in Office Management, Projektplanung und -organisation und sind mit allen modernen IT-Anforderungen vertraut?
Sind Sie perfekt in mündlicher und schriftlicher Kommunikation auf Deutsch und Englisch, und können Sie Anrufe und Texte verstehen und übersetzen, deren Englisch rudimentär ist, und deren Inhalte häufig rätselhaft erscheinen?
Kommen Sie mit einem Vorgesetzten zurecht, der sehr geheimniskrämerisch und misstrauisch ist und Sie stündlich mit wichtigen Neuigkeiten überrascht, wie zum Beispiel Namen von Kollegen, von deren Existenz Sie bisher gar nichts ahnten?
Verfügen Sie über nahezu endlose Geduld, wenn Ihnen jemand Sachverhalte immer noch einmal erklären möchte, die Sie längst verstanden haben (sagt Ihnen der Begriff Mansplaning etwas?)?
Wären Sie zusätzlich bereit, telefon-seelsorgerische Aufgaben zu übernehmen und dabei zwischen verschiedenen Stakeholdern zu vermitteln?
Dies alles selbstverständlich neben den herkömmlichen Aufgaben, die in Ihrer Position verlangt werden.
Dann würden wir uns freuen, von Ihnen zu hören!"
Wenn alles überstanden ist, werde ich mich für den diplomatischen Dienst bewerben.